Jana hat Innenarchitektur und Design an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle studiert. Jetzt möchte sie mit IKOSAE aus alten Resten Rucksäcke produzieren. Wie die Kreislaufwirtschaft funktioniert, wieso sie sich für PVC-PLanen entschieden hat und wieso dieser “Müll” am Ende auch noch einen gewissen Preis hat, verrät sie uns im Interview.
Wie bist du auf die Idee gekommen, aus alten Resten Rucksäcke zu produzieren?
Mir war schon immer wichtig Ästhetik und Umweltschutz zu verbinden. Pro Jahr fallen bei der Produktion von Schutzplanen 350 m³ Verschnitt an, den der Hersteller nicht verwerten kann. Der “Abfall” wandert direkt in den Müll, da er nur sehr selten in den Produktionskreislauf eingearbeitet werden kann. Genau hier setzt mein während meines Designstudiums an der BURG in Halle Saale ins Leben gerufene Label IKOSAE an. Namensgeber des Labels ist der Ikosaeder, ein geometrischer Körper der aufgrund seiner Struktur eine hohe Flächeneffizienz besitzt. Durch die Weiterverarbeitung des vermeintlichen „Mülls“ wird somit ebenso eine maximale Effizienz der Materialoberfläche erreicht.

Du arbeitest werteorientiert im Sinne der “Circular Economy” – was kann man sich unter dem Begriff vorstellen?
Die Circular Economy wird auch Kreislaufwirtschaft genannt und ein regeneratives System, in dem der Einsatz von Materialressourcen, Energie, Abfall und Emissionen minimieren werden. Das geschieht meistens durch das schließen, verlangsamen und verringern von Energie- und Materialkreisläufen. Eine langlebige Konstruktion, aber auch Instandhaltung, Reparatur, Wiederverwendung, Remanufacturing, Refurbishing und natürlich Recycling von Gütern und deren Abfallstoffe, sind hier entscheidend. Ich konzentrier mich hierbei auf Produktionsabfälle und Rest, wie Ausschuss, die noch als Rohstoff dienen können.
Du sprichst von dem “Pre-Consumer-Waste” – kannst du uns Zahlen und Fakten nennen, um diesen Müll greifbarer zu machen?
Es ist tatsächlich gar nicht so einfach das ganze greifbar zu machen. Wie oben schon erwähnt, fallen zum Beispiel allein in einem Kleinen Unternehmen 350 m³ (Kubik, nicht Quadratmeter) Planenreste an. Das muss man sich mal vorstellen. Aus einem Bericht vom Umweltbundesamt geht hervor, dass im Jahr 2016 ca. 56 Mio. Tonnen Gewerbeabfälle angefallen sind. Allerdings ist nicht klar zu sagen, wie viel davon tatsächlich aus der Produktion stammt und wie viel davon überhaupt noch recyclefähig ist. Man kann schätzungsweise von 10 Mio. Tonnen Gewerbeabfall im Jahr ausgehen, welches deponiert oder verbrannt wird.


Deine Rucksäcke bestehen aus PVC-Planen – wieso hast du dich für dieses Material entschieden? Es fällt doch sicherlich woanders auch viel Müll an, oder?
Sicherlich fallen in anderen Branchen auch viele Reste und Abfälle an. Gerade der Müll aus unseren Haushalten ist ein enormes Problem. Zum PVC kam ich eher durch Zufall. Ich fand das Material spannend, weil es robust und verschweißbar ist. Als ich in der Firma in meiner Heimatstadt darauf aufmerksam wurde, wie aus ökonomischen Gründen damit umgegangen wird, hab ich mich etwas erschrocken. Vor allem, da endliche Ressourcen wie Erdöl für die Herstellung von PVC benutzt werden, ist es umso trauriger, dass selbst große Reste ungenutzt in die Tonne wandern. Ich hatte schon immer einen Faible für Rucksäcke und Taschen und habe auch funktionelle Anforderungen, da ich alles mit dem Fahrrad erledige. So kam eins zum anderen, sozusagen ein relativ natürlicher Lauf der Dinge.
Damit der “Müll” noch lange nicht zu echtem Müll wird, auch nicht in Form eines Rucksacks, ist eine gute Qualität und Design entscheidend.


Viele fragen sich, wieso “Müll” am Ende doch noch so viel Geld kosten kann. Was ist deine Meinung dazu?
Schön, dass du “Müll” in Anführungsstriche setzt. Es ist nämlich Verschnitt, also ein Rest, der meistens beim Zuschnitt von großen Abdeckungen abfällt. Oft werden die größeren Reste noch gelagert – in der Hoffnung, dass sie noch einmal für kleinere Objekte genutzt werden. In der Regel ist es allerdings zu aufwändig, ein passendes Stück rauszufinden, als einfach neues Material von der Rolle zu schneiden. PVC-beschichtetes Gewebe, wie wir es von LKW-Planen kennen, ist sehr günstig als Rohmaterial. Die Arbeitskraft ist in Deutschland deutlich teurer, sodass die Entscheidung da einfach zu Lasten der Materialressourcen gefällt wird. Am Ende des Jahres wird das “wartende Kapital” dann doch entsorgt, erst dann wird es zu Müll.
Das ist einer der Gründe, warum ich im selben Unternehmen fertigen lassen möchte. Die Schweiß- und Nähtechnik kann ich selbst nicht aufbringen und die jahrelange Erfahrung der Mitarbeiter mit dem Material ist auch nicht aufzuholen. Damit der “Müll” noch lange nicht zu echtem Müll wird, auch nicht in Form eines Rucksacks, ist eine gute Qualität und Design entscheidend.
Was machst du mit dem Geld, wenn die Crowdfunding-Kampagne finanziert wird?
Wenn das Crowdfunding erfolgreich wird und die Zielsumme erreicht wird, kann ich die erste IKOSAE-Kollektion, also alle vier Modelle in drei Farben in einer Kleinserie in Magdeburg fertigen lassen. Die Stückzahl ist so kalkuliert, dass es es für das Unternehmen auch rentabel ist, den Mehraufwand beim Zuschnitt auf sich zu nehmen. Das ist nämlich die erste große Hürde. Erst mit den nächsten Verkäufen kann ich dann weitere Produktionen vorfinanzieren und neue Modelle nach und nach mit aufnehmen. Zum Beispiel teste ich gerade einen Prototypen-Rucksack, der auch für Reisen geeignet ist.