Wagt man sich einen Schritt in die Öko-Blase hinein, so hat man oftmals ein verzerrtes Bild vor Augen. Wer sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt, lebt Zero Waste hat Plastik aus dem Wortschatz gestrichen. Jede*r lebt vegan, kauft nur Bio-Produkte oder baut am besten selbst im eigenen Garten an. Fernreise? Fehlanzeige. Flugreisen sollten unter Strafe stehen. Da kann man schon mal erschrocken sein, wenn man so einem perfektionierten Bild begegnet. Aber ist das alles wirklich so? Muss erst der Müll eines ganzen Jahres in ein Marmeladenglas passen, damit man sich als “nachhaltig” bezeichnen kann? Kleiner Spoiler: NEIN.
Realität oder Illusion?
Wer sich über Nachhaltigkeit und eine nachhaltige Lebensweise informiert, macht dies größtenteils online. Plattformen wie Instagram bieten durch eine große nachhaltige Community viel Inspirationen. Und das ist eigentlich auch gut so – wie gesagt eigentlich.
Das Problem: Auf Instagram sehen wir immer nur einen winzigen Ausschnitt der Realität. Wir sehen nur ein einziges Bild oder eine Momentaufnahme. Keine*r weiß dabei, wie es wirklich hinter den Kulissen aussieht. Und prinzipiell müssen wir hier niemandem erklären, dass besonders auf Instagram der visuelle Eindruck einer der wichtigsten ist. Nicht für alle, aber für viele. Durch die Ästhetik entsteht in der Öko-Community oft das Bild, alle würden perfekt nachhaltig leben.
Hohe Erwartungen
Es ist ja nicht mal so, als würden Menschen, die einen ökologischen Lebensstil verfolgen absichtlich nur das zeigen, was schon gut läuft. Als ob sie die Community hinters Licht führen wollten. Viel mehr ist es der Erwartungsdruck von außen, der einen in ein Korsett der Nachhaltigkeit presst. Da überlegt man es sich besser zwei mal, die Tiefkühlpizza, die man sich einmal im Monat gönnt, online zu zeigen.
Entmutigung
Dieser angebliche Perfektionismus bringt ein Problem mit sich, dass jeder Person, die sich mit einem nachhaltigen Leben beschäftigen will, vor allem ein Gefühl geben kann: Entmutigung. Denn wie um alles in der Welt soll man von jetzt auf gleich all diese Erwartungen erfüllen, die die Menschheit von einer ökologisch handelnden Person erwartet.
Wozu das führt? Viele fangen erst gar nicht an. Aus Angst nicht alles richtig zu machen, treten viele doch lieber wieder einen Schritt zurück. Und anstatt das mit der veganen Ernährung nicht einfach mal eine Woche lang auszuprobieren, sagt man lieber gleich: “Vegan? Das könnte ich einfach nicht.”
Das ist besonders schade, denn eigentlich wollen wir doch gerne mehr Menschen für einen nachhaltigen Lebensstil begeistern, statt Interessierte abzuschrecken.
Angreifbar
Nehmen wir an, jemand wagt es trotzdem einen Schritt Richtung Nachhaltigkeit zu gehen. Jemand hält den entmutigenden Bildern stand und versucht es einfach mal mit einem Einkauf im Unverpackt Laden, einem Second Hand Kleidungsstück, ernährt sich eine Woche vegan ..
Dabei ist genau das der falsche Weg, denn mit dem Finger auf Andere zu zeigen führt nicht zur Lösung, sondern spaltet die Gesellschaft. – Masha Sedgwick
.. oder geht als öffentliche Person wie Masha Sedgwick auf eine Klimademo. So jemand macht sich unglaublich angreifbar. Und die Reaktionen sind oft leider nicht nur positiv. Denn statt Lob und Anerkennung für einen Schritt in die richtige Richtung, wird einem vorgeworfen, dass man nicht alles richtig macht. Auch Masha schrieb in ihrem Blogbeitrag, dass sie nach wie vor regelmäßig Nachrichten von Follower erhält, die permanent etwas auszusetzen haben.
Oft handelt es sich bei solchen Kritiken oder Diskussionen um Whataboutism. Whataboutism ist eine unsachlich kritisierte Gesprächstechnik, die versucht vom eigentlichen Thema abzulenken und die Missstände auf der Seite des Kritikers zu finden.
Beispiel: Wer verpackungsfrei einkauft und auf Plastikmüll aufmerksam macht, wird für sein Auto kritisiert. Wer sich vegan ernährt und auf den ökologischen Fußabdruck des Essens aufmerksam macht, wird für seine Flugreisen kritisiert. Menschen versuchen, vermeintlich “schlimmere” Probleme des Gegenübers zu finden. Kommt leider auch in der grünen Community zum Vorschein. Die Sache ist nur: So kommen wir nicht weiter.
Wir alle haben Plastikstrohhalme im Keller
Nicht nur der Online-Perfektionismus macht es uns schwer, auch Whataboutism ist anstrengend. Keine*r, der oder die nachhaltig lebt, ist perfekt. Perfektionismus ist eine reine Illusion. Egal ob es um Plastikstrohhalme geht, die Veganerin nicht regionale und saisonale Produkte wie eine Avocado isst, man eben einmal im Jahr in den Urlaub fliegen will oder oder oder .. kein Mensch lebt zu 100% nachhaltig. Um so mehr feiern wir alle, die es von Euch wenigstens versuchen. Oder sich vielleicht sogar erst ganz frisch für das Thema Nachhaltigkeit interessieren. Wir schließen den Absatz mit den Worten von Anna Marie Bonneau ab:
We don’t need one person doing zero waste perfectly. We need millions of people doing it imperfectly. – Anna Maria Bonneau
Empowerment
Statt also über all die Dinge nachzudenken, die wir noch nicht perfekt machen, sollten wir uns lieber auf die Schulter klopfen. Jeder noch so kleine Schritt, den wir schon in Richtung Nachhaltigkeit gegangen sind ist wichtig und wunderbar! Egal wie klein uns das vorkommt, was wir tun: Wir setzen ein Zeichen und sind der Beginn der Veränderung.
Und wenn wir anfangen zu dem zu stehen, was vielleicht noch nicht ganz so gut klappt, dann werden sich auch immer mehr Menschen denken: “Das könnte ich doch eigentlich auch mal probieren.” Lasst uns alle ein wenig nachsichtiger sein und die kleinen Erfolge feiern. Unsere eigenen, aber auch die von anderen!
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1 Kommentar
Dogmatische Herangehensweise verbunden mit dem Wunsch nach einer Verbotskultur richtet mehr Schaden an, als es nutzt. Besser vorbildlich leben, an den kleinen Stellschrauben drehen und nicht den Leuten ihr Schnitzel oder die gelegentliche Fernreise verbieten zu wollen. All dies führt irgendwann zu einer Widerstandshaltung.
Die kleinen Schritte gelebt von vielen haben langfristig den größten Effekt.